Wie muss eine Organisation gestaltet sein, um magnetisch zu werden?
Sinn- und Beziehungsorientierung sind wichtige und notwendige Bedingungen dafür, dass Unternehmen eine hohe Anziehungskraft haben, durch eine Magnetische Unternehmenskultur. Aber reicht das aus? Es gibt zwei weitere „hinreichende“ Bedingungen: Organisation und Geschäftsmodell, mit anderen Worten: Das Wie und das Was. Energie und Fokus.
Vier Aspekte geben einer Organisation die Energie, die sie als Anziehungskraft ausstrahlt:
- Sicherheit
- Kommunikation
- Umgebung
- Struktur
„Energie“ – Die dritte Dimension Magnetischer Unternehmenskultur
Sicherheit
Frederic Laloux spricht in „Reinventing Organizations“ davon, dass evolutionäre Organisationen drei Durchbrüche schaffen: Selbstführung, Ganzheit und evolutionärer Sinn. Um Ganzheit, den zweiten Durchbruch zu erreichen, ist es elementar wichtig, eine sichere Umgebung zu schaffen, in der sich jeder ohne Angst so zeigen kann, wie er ist. Damit ermöglicht es eine solche Organisation Menschen, sich mit ihrem ganzen Selbst (also vollem Potenzial) in die Arbeit und die Organisation einzubringen.
Es ist eine Kernaufgabe der Unternehmensleitung, Transparenz darüber zu schaffen, ob Mitarbeiter sich sicher fühlen oder nicht. Stellt sich heraus, dass Mitarbeiter sich unsicher fühlen, wissen sie: Das Vertrauen zwischen Führung und Mitarbeitern ist gestört. Es gibt unmittelbaren Handlungsbedarf, will man Mitarbeiter nicht verlieren.
Kommunikation
Zweiter Aspekt und der wahrscheinlich wichtigste und kulturprägendste des WIE Magnetischer Unternehmenskultur ist Kommunikation. Kommunikation bedeutet zum einen: mehr zuhören als reden und durch empathische Kommunikation Missverständnisse vermeiden. Zum anderen bedeutet sie: eine Feedbackkultur zu entwickeln und durch eine Sprache, die Selbstbestimmung ausdrückt, zu motivieren.
Eine Organisation, die das Zuhören zur Gewohnheit macht, in ihren Werten verankert, wird zwei Ergebnisse bekommen:
- Deutlich weniger Missverständnisse und damit enorme Ersparnis von Zeit und Aufwand. Sprich: signifikante Produktivitätsgewinne
- Ein erhöhtes Vertrauensniveau in Teams, zwischen Abteilungen und Unternehmensbereichen, weil aktives, einfühlendes oder ganzheitliches Zuhören immer das Vertrauen stärkt.
Beide Ergebnisse machen die Organisation magnetischer, für sowohl Mitarbeiter als auch für Kunden.
Eine zweite für Magnetische Unternehmenskultur wesentliche Dimension von Kommunikation ist Feedback. Eine Organisation, der es gelingt eine so genannte Feedback-Kultur zu entwickeln, steigert ihre Anziehungskraft. Magnetisches Feedback geben heißt
- Fokus auf positives, affirmatives Feedback („Menschen dabei erwischen, dass sie Dinge richtig machen“), weil ich dadurch Stärken stärke und Wertschätzung zeige
- immer als Ich-Botschaften formulieren, um sicherzustellen, dass mein Gegenüber die Botschaft auch annehmen kann
- spezifisch sein und Beispiele geben, damit das Feedback überzeugend, glaubwürdig und handlungsleitend wird.
Umgebung
Der dritte Aspekt des WIE der Organisation ist die Umgebung. Die Verhaltensforschung zeigt, dass Verhalten sehr stark durch die Umgebung und Umfeldbedingungen geprägt wird. Der Autor von „Atomic Habits“, James Clear, formuliert das so: Motivation wird überbewertet, die Umgebung hat oft die größere Bedeutung (für die Entwicklung von Gewohnheiten).
Wenn wir die Gewohnheiten in unserer Organisation verändern wollen, ist es wichtig, die Umfeldbedingungen entsprechend zu verändern. Das ist nichts Neues – der Trend zu Großraumbüros basiert auf dem Wunsch, die Kommunikation unter Mitarbeitern zu vereinfachen und Silobildung zu vermeiden.
Andere Beispiele für soziale Umfeldbedingungen, die die Energie in einer Organisation beeinflussen und damit auch die Attraktivität, sind:
- Abteilungen grenzen sich gegeneinander ab
- Es bilden sich Silos
- Es herrscht interner Wettbewerb, der sogar gefördert wird, z.B. durch Anreizsysteme
- Die Entlohnung wird als gerecht empfunden
- Leistung wird auch finanziell honoriert
- Als Mitarbeiter habe ich Möglichkeiten, mich finanziell zu verbessern
- Die Organisation geht (nicht) auf individuelle Bedürfnisse des Einzelnen ein
- Arbeitszeitregelungen
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Die Liste kann sicherlich noch weitergesponnen werden. Entscheidend ist die Frage: Welchen Einfluss haben diese sozialen Umfeldbedingungen auf die Energie in der Organisation?
Struktur
Den vierten Aspekt des WIE, der für das Energie-Niveau eines Unternehmens verantwortlich ist, nenne ich Struktur. Dahinter verbergen sich einerseits die Aufbauorganisation, also die Organisationsstruktur, und andererseits die Ablauforganisation, also die Prozesse in einem Unternehmen.
Die Aufbauorganisation eines Unternehmens beschreibt, wie Macht und Entscheidungskompetenz in der Organisation verteilt sind.
Einen wichtigen Einfluss auf das Energieniveau und den Magnetismus einer Organisation hat auch die Gestaltung der Ablauforganisation, sprich der Prozesse und der dazugehörigen Systeme. In Workshops bekomme ich immer wieder mit, wie frustriert viele Führungskräfte und Mitarbeiter wegen unsinnig wirkender oder gar kontraproduktiver Abläufe sind. Sie empfinden sich als Diener oder Sklaven der Prozesse, während es eigentlich umgekehrt sein sollte.
Eine Vereinheitlichung von Vorgehensweisen, die sich als zielführend erwiesen haben, hat den Vorteil, dass Übergaben leicht erfolgen oder Mitarbeiter bei Ausfällen leicht ersetzt werden können. Wer in einer Krisensituation ein Krisenhandbuch zur Hand hatte, das ihm die nächsten Schritte vorgab, wird in der Regel dankbar sein, sofort handeln zu können. Gut gestaltete Geschäftsprozesse sind essentiell, um zu skalieren und zu vermeiden, dass das Rad ständig neu erfunden wird.
Klar ist auch: Wenn Prozesse und Systeme nicht kongruent mit den Werten und gewünschten Verhaltensweisen im Unternehmen sind, werden sie das werteorientierte Verhalten konterkarieren. Ich kann von Mitarbeitern nicht verlangen, dass sie miteinander kooperieren sollen, wenn ich sie andererseits über wettbewerbsorientierte Anreizsysteme steuere.
Deshalb ist es wichtig, Prozesse daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich in Einklang mit den postulierten Werten und dem Unternehmens-Sinn stehen, diese unterstützen und sie nicht unterminieren.
(gekürzter Auszug aus „Magnetische Unternehmenskultur“ S. 108-124)
Machen Sie für sich anhand der vier Aspekte von „Energie“ den Selbstcheck. Sprechen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen darüber oder mit Ihrem Team und erstellen Sie gemeinsam einen Plan, wie Sie in 2020 das Energieniveau Ihrer Organisation erhöhen können. Ich bin gespannt auf die Erfahrungen, die Sie damit machen.
Herzlichen Gruß
Christian Conrad
P.S.: Wenn Sie Ihre Unternehmenskultur magnetischer machen wollen, abonnieren Sie meinen Newsletter: https://eepurl.com/gyDr9z